Neues Arbeiten: Schöne neue Arbeitswelt?

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Die Digitalisierung und Automatisierung verändert die Art und Weise, wie wir miteinander arbeiten. Nicht nur die sogenannte “Generation Y” stellt Forderungen nach einer verbesserten Work-Life-Balance und einem selbstbestimmten und sinnvollen Arbeiten.

Doch wie sieht es in der Praxis aus? Werden die Visionen der New-Work-Bewegung in den Unternehmen umgesetzt? Was sind die Schattenseiten des Neuen Arbeitens? Wie könnten neue Formen des Miteinanders entwickelt werden?

Die neu entbrannte Debatte um New Work

Die klassische Erwerbsarbeit wird schon lange durch neue Formen des Arbeitens ergänzt: Digitale Nomaden arbeiten von überall auf der Welt – das Internet macht`s möglich. Doch Neues Arbeiten „…ist mehr als alte Arbeit mit Internetanschluss“, wie das brand eins Magazin im März titulierte.

Auf der Xing New Work Experience Ende März erzählte Frithjof H. Bergmann, Philosoph und Erfinder des Begriffs “New Work”, wie in den 70er Jahren die New Work-Bewegung entstand, in der Arbeitenden ermöglicht werden sollte, sich darauf zu besinnen, was sie “wirklich, wirklich wollen”. Nach dem Vortrag gab es Standing Ovations.

Die Veranstaltung wurde jedoch auch kritisch betrachtet: Hendrik Epe schrieb als Reaktion darauf, dass sich die Gedanken der New Workler oft “am Rande des Spirituellen” bewegen und darauf, dass das Xing-Event nur gegen den stolzen Preis von 713 € besucht werden konnte, einen Blogartikel mit dem provokanten Titel “New Work zwischen Spiritualität, elitärem Scheiß und dringender Notwendigkeit“. Beim #DORFcamp, einem Barcamp in Elsdorf – Neu Etzweiler, wurde darüber lebhaft diskutiert.

Winfried Felser veröffentlichte als Reaktion auf Epes Blogartikel und die daraufhin neu entfachte Diskussion um “New Work” einen Artikel zu dem Thema bei der Huffington Post und initiierte eine Blogparade mit dem Hashtag #NewWork17.

Grundtenor der Diskussion ist, dass das, was “oberflächlich nach Emanzipation aussieht, […] in Wirklichkeit nichts anderes als ein Straffen der Fesseln” sein könnte, wie es die englische Philosophin Nina Power in Bezug auf das Neue Arbeiten schrieb.

Gunnar Sohn fürchtet, dass das recht idealistische New Work-Konzept in der Realität der Arbeitswelt letzten Endes nichts anderes sein könnte als “digitale Käfighaltung mit einem scheinheiligen Anstrich von Wohlfühl-Maßnahmen“.

Doch wie sieht die Realität der Arbeitswelt aus? Wie hat sich das Arbeiten im Laufe der letzten Jahrzehnte gegenüber dem Fordismus des Industriezeitalters verändert?

Die Verheißungen der neuen Arbeitswelt sind zahlreich:

  • Vernetztes Arbeiten und die Möglichkeit, im Home Office oder in Coworking Spaces zu arbeiten, ermöglichen Flexibilität in Bezug auf den Arbeitsort.
  • Die Nutzung von Dokumentenmanagementsystemen und Social Intranet schafft Transparenz und eine Kultur der Wissensvermittlung, in der das Teilen von Wissen zählt, und nicht der Wissensvorsprung Einzelner.
  • Flache Hierarchien führen dazu, dass Arbeitnehmer stärker Eigeninitiative ergreifen und autonom agieren können, statt auf Weisungen von oben zu warten. Ein partnerschaftliches Zusammenarbeiten auf Augenhöhe deutet sich hier an.
  • Durch eine neue Feedbackkultur können sich Arbeitende dabei immer weiter entwickeln, statt zu stagnieren.
  • Kreative Auszeiten wie Sabbaticals, Zeit für eigene Projekte und neue Methoden zur Ideengewinnung wie etwa Scrum erhöhen die Kreativität.

Bild vom Bonner Rheinufer, mit Blick auf den Rhein.

Der neue Geist des Kapitalismus: Flexibel muss vor allem der Arbeitnehmer sein

Doch abgesehen davon, dass von diesen Segnungen der Schönen Neuen Arbeitswelt ein Großteil der Bevölkerung ausgeschlossen ist, wie es Hendrik Epe und Gunnar Sohn in ihren Blogartikeln kritisch anmerken, gibt es auch innerhalb dieser Welt einige Schattenseiten.

Der klassische von Hierarchien und Management by Objectives geprägte Kapitalismus hat sich im Laufe der letzten Jahrzehnte zu einem „flexiblen Neo-Kapitalismus“ gewandelt, wie es Luc Boltanski und Ève Chiapello in ihrem Buch „Der neue Geist des Kapitalismus“ beschreiben. Flexibel muss hier vor allem der Arbeitnehmer sein:

Der Wunsch nach Selbstverwirklichung in der Arbeit macht jeden von uns zum Unternehmer seiner eigenen Person: Wir müssen flexibel und anpassungsfähig sein, eigenverantwortlich agieren, beweglich und kreativ sein.

Was zunächst als Zugewinn an Autonomie und Freiheit erscheint, wandelt sich unter dem Druck der Konkurrenz in neue Unfreiheiten und Zwänge: Man ist dazu gezwungen, sich permanent selbst zu optimieren, um mit der Konkurrenz mithalten zu können.

Die Kontrolle der Beschäftigten durch das Management wird dadurch immer mehr durch eine freiwillige Selbstkontrolle ersetzt. Die ganze Verantwortung wird dem Einzelnen übertragen.

Der Über-Ich-Druck, dem sich der vereinzelte Arbeitnehmer dabei selbst unterwirft, ist ungemein stärker, als jeglicher von außen kommende Druck es jemals sein könnte.

Frau legt Kopf auf den Laptop, in den Händen eine Uhr und eine Kaffeeetasse

Was tun gegen die zunehmende Vereinzelung und Entsolidarisierung in einer entfremdeten Arbeitswelt?

Der von oben kommende Druck verschwindet dabei jedoch keineswegs einfach, sondern er tritt oft nur im neuen Gewand auf.

Neue Möglichkeiten wie etwa die Nutzung von Home Office verkehren sich in neue Unfreiheiten, wenn sie von oben verordnet werden.

Mit dem Verlust der Möglichkeit, sich bei der Arbeit zu vernetzen, schwindet auch diejenige, sich politisch zu organisieren. Gewerkschaften haben an Bedeutungen verloren. Es gibt kaum politische Organisation oder sonstige Zusammenschlüsse. Die Folge ist eine zunehmende Vereinzelung und Entsolidarisierung.

Sozialwissenschaftler wie Christoph Menke und Juliane Rebentisch vom Frankfurter Institut für Sozialforschung (IfS) beklagen, dass Selbstverwirklichung damit als „Ideologie und Produktivkraft eines deregulierten Wirtschaftssystems“ missbraucht wird, das letztlich jedoch eine „Beziehung der Beziehungslosigkeit“ zwischen den Arbeitenden fördert und eine entfremdete Arbeitswelt entstehen lässt.

Was kann man dagegen tun? Welche Werte können dazu beitragen, trotz aller Flexibilität und Agilität gute Arbeitsbeziehungen aufrechtzuerhalten?

Welche neuen Formen des Miteinanders können entwickelt werden?

Darüber sprachen wir beim zweiten Digitalisierungstreff am 18.05.2017 im Digital Hub Bonn:

#DigiTreff

Schmetterling

 

Autor:in Stefan Maron
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