Als Führungskraft einen neuen Bereich zu übernehmen, ist meist eine große Herausforderung. Sich als Führungskraft einen neuen Führungsstil anzugewöhnen, ist schwierig. Als Führungskraft eine neue Haltung zu entwickeln und diese so einzubringen, dass die Mitarbeiter, die Prozesse und Strukturen, ja das gesamte Unternehmen davon profitieren, grenzt an ein kleines Wunder.
Dennoch ist es genau dieses Wunder, das in der Zeit von VUCA, von „New Work“ und der „Digital-Sozialen Transformation“ von all jenen abverlangt wird, die die Zukunft eines Unternehmens aktiv mitgestalten möchten. Es ist das Wunder, den Weg zu einem neuen Verständnis und einer neuen Haltung von Führung zu gehen, den Weg zu „Leadership“ oder – im Spannungsfeld von Innovation, stetiger Veränderung und Entwicklung sowie den markanten Umbrüchen neuer, an „das Digitale“ angepasster Organisationsformen – den Weg zu „Digital Leadership“.
Es hängt viel von ihnen ab, von diesen „digital Leadern“. Sie beeinflussen durch ihren persönlichen Umgang mit immer neuen Themen den Erfolg oder Misserfolg ihres Unternehmens wie kein anderer. Ihnen obliegt die Lust und die Last, die Talente der Kollegen und Mitarbeiter zu identifizieren und die Energien in Richtung einer zukunftsweisenden Entwicklung zu bündeln.
Was Leadership vom Verständnis klassischer Führung unterscheidet, ist die Haltung. Es ist der Unterschied zwischen dem Wissen, wie man Dinge richtig tut und der Kunst mit den Menschen im eigenen Umfeld gemeinsam die richtigen Dinge zu tun.
Diese „richtigen Dinge“ sind in der Zeit stetiger und extrem schneller Veränderung, wechselnder Anforderungen und nicht planbarer, spontaner Entwicklungen die Dinge, die jenseits von Zahlen, Daten und Fakten mit den Menschen und deren bewusster Weiterentwicklung zu tun haben.
Was ist das eigentlich „Haltung“?
Der Duden definiert „Haltung“ unter anderem als „innere [Grund-] Einstellung, die jemandes Denken und Handeln prägt“. Wikipedia, als zweite allgemein verfügbare Bezugsquelle, ordnet „Haltung“ zwischen Gesinnung und Einstellung ein. Also zwischen Moral und Werten – als Ausdruck von Gesinnung – sowie Annahmen und Überzeugungen, beziehungsweise der „aus der Erfahrung kommenden Bereitschaft wertend zu reagieren“. Damit ist Haltung in genau dem Teil unseres Selbst verankert, der sich sowohl kognitiv als auch emotional in uns und damit auf andere auswirkt. Es sind die Vorurteile, die Sympathien, Antipathien und unser Selbstwertgefühl, die uns unsere Haltung – und die anderer – immer wieder ganz plastisch vor Augen führen.
Unsere Haltung ist so tief in uns verankert, dass ein drei-tägiges Seminar zum Thema zwar hilfreich sein mag, um uns all dieser Zusammenhänge bewusst zu werden. Dazu imstande, unsere Grundeinstellung zu verändern ist es dagegen kaum. Dafür müssen wir deutlich länger und intensiver an uns arbeiten.
Der Unterschied zwischen „Wille“ und „Solle“
Wann haben Sie zuletzt nachhaltig etwas an sich verändert, weil es jemand anderes von Ihnen verlangt hat? Klar ist, der Schlüssel zu Entwicklung dauerhaft neuer An- und Einsichten ist der eigene Wille zur Veränderung.
Manchmal, mit etwas Glück finden wir starke Beispielgeber – fast schon Helden – denen wir versuchen nachzueifern.
Oftmals jedoch sind wir im ersten Schritt auf uns allein gestellt. Dieser erste Schritt ist die Erkenntnis, dass die aktuelle Haltung ungeeignet ist, um sich in der Zukunft zurechtzufinden oder erfolgreich zu werden und zu bleiben.
Im Kontext eines neuen „Leadership“ bedeutet dies, mit sich selbst zu klären, wie wir über die Führungs- und Interaktionsthemen der Zukunft denken und wie wir sie bewerten. Im Kern geht es dabei um die Buzzwords jeder modernen Kulturförderungsmaßnahme. Es geht um die vielen sozialen Anteile der Digitalisierung, um Transparenz, Partizipation, Respekt, Toleranz, offene Kommunikation und Vernetzung.
Es geht darum, wie wir uns in der Rolle eines Moderators, eines Dialoganstubsers und Coaches fühlen. Es geht darum, ob und wie sich ein solches Handeln auf unsere Wahrnehmung von Selbstwirksamkeit auswirkt.
Wenn sie diese Worte mit wachsender Begeisterung gelesen haben, sind sie bereits mitten in ihrer Leadership Haltung angekommen. Wenn Sie dagegen tief in sich ein Gefühl der Ablehnung, des Widerstands oder auch nur des Zögerns wahrgenommen haben, dann gibt es dennoch gute Chancen sich, auch ohne Heldenverehrung, erfolgreich diesen Themen anzunähern.
Neue Erfahrungen als Schlüssel zu einer neuen Haltung
Da Haltung durch Erfahrungen geprägt ist, sollte hier der Hebel ansetzen, um diese zu reflektieren und dann ggf. zu verändern. Die Kernfrage ist, welche Ihrer bisherigen Erfahrungen, angefangen vom Kleinkind bis in die Gegenwart, Sie zu dem haltungs(un)bewussten Mensch gemacht hat, der Sie heute sind. Dabei gilt es, Ihre Erfahrung in die Fakten und die emotionale Wirkung aufzuspalten die sie ausmachen. Am Ende ist es diese Kombination von Realität und Interpretation, die sich in unserem Denken verankert und die es gegebenenfalls zu relativieren und neu zu programmieren gilt.
Die Summe unserer prägenden Erfahrungen führt zu individuellen Grund- und Glaubenssätzen darüber, wie man sich selbst und wie andere sich zu verhalten haben.
Spannend ist es, wenn man beginnt, diese Grundsätze bewusst zu hinterfragen. Stimmen die alten Interpretationen noch, führt A wirklich immer zu B oder kann auch C – aus einer neuen Perspektive – auch ein valides Ergebnis darstellen. Diese Art eines achtsamen Umgangs mit unseren (un)bewussten Entscheidungshilfen führt oftmals schnell zu ersten Neuinterpretationen und damit zum ersten Teil der persönlichen Haltungsänderung.
Doch es ist schwer, diesen Weg allein zu gehen. Mindestens als Anschub und zur steten Erinnerung hilft es Begleiter zu haben – seien es Menschen oder Rituale. Ob Freunde, Coaches, die Familie, Kalendereinträge oder der kleine Kompass auf dem Schreibtisch – diese kleinen Hilfsmittel unterstützen dabei, sich bei alten Gewohnheiten immer wieder neu zu hinterfragen – welche Vor- und Nachteile haben diese Gewohnheiten eigentlich für uns und was würde eine alternative Erfahrung, eine andere Entscheidung bewirken?
Die erwartbare Zukunft, das worauf wir uns vorbereiten können und sollten, verlangt von uns, uns wieder intensiver mit uns selbst und unserem Mitarbeiter und Kollegen zu beschäftigen. Vor dieser Zukunft den Kopf in den Sand zu stecken führt nur dazu, dass sich unsere Weitsicht extrem verringert.
Immer komplexere Anforderungen erfordern immer engere Zusammenarbeit bei gleichzeitiger Ausweitung des eigenen Netzwerkes und der individuellen Kompetenzen.
Im Mittelpunkt stehen dabei (wahrscheinlich) die Offenheit, mit Veränderung, Vielfältigkeit und Diversität umgehen zu können, sich mit Kollegen aller Ebenen über unterschiedliche Kommunikationsebenen und -wege auszutauschen und die Meinungen anderer anhören, analysieren und zulassen zu können.
Die Digitalisierung erzeugt neue Wertschöpfungsströme, neue Services und Geschäftsmodelle. Technologieunterstütze Mensch-Mensch- und Mensch-Maschine-Interaktionen verändern die Art und Weise, wie wir miteinander arbeiten. Die Möglichkeiten globaler, interdisziplinärer Zusammenarbeit eröffnen Wege zu ungeahnten Weiterentwicklungen und Innovationen.
Wir müssen miteinander und voneinander lernen, Raum für Partizipation entdecken und Verantwortung neu verteilen.
Gleichzeitig dürfen wir nicht den Blick für unseren persönlichen Beitrag verlieren. Unsere individuelle Selbstwirksamkeit bleibt weiterhin ein hohes Gut.
Dies alles zusammenzubringen ist die Aufgabe von Leadership in der digitalen Zeit. Dies sind Kernelemente von Digital Leadership. Es sind Kernelemente, die ohne eine neue Haltung nicht lebbar sind.
Was also können Sie konkret tun, um an Ihrer Haltung zu arbeiten?
Stellen Sie sich zunächst ein paar Fragen, etwa „Wohin will ich – im Job und im Leben?“, „Welche meiner Erfahrungen und Einstellungen sind auf diesem Weg hinderlich, welche zielführend?“
Stellen Sie hier eine Differenz zwischen dem, was sie für zukunftsträchtig halten und dem, was sie verinnerlicht haben fest, so starten Sie in eine tiefere Reflexion Ihrer Positionen. Holen Sie sich Unterstützung in Person ihres persönlichen Mentors oder Coaches – oder auch in Form eines Rituals beziehungsweise einer Erinnerungshilfe.
Klären Sie welche die grundlegendste Erfahrung ist, die Sie auf dem Weg einer anderen Grundeinstellung behindert.
Gehen Sie dieses Thema an, indem Sie Ihre Erfahrungen und Entscheidungen mit einer veränderten Perspektive auf alternative Handlungsmöglichkeiten hin untersuchen. Versuchen Sie bei der nächsten Gelegenheit anders zu reagieren und neue Erfahrungen zu machen. Geben Sie sich die Zeit diese Erfahrung zu reflektieren und sie wenn möglich zu wiederholen. Wenn Sie mit diesem ersten kleinen Schritt zufrieden sind, gehen Sie zu Punkt 3. und nehmen Sie sich das nächste Thema, die nächste Grundeinstellung, oder den nächsten Glaubenssatz vor.
Langfristig werden sich Ihr Verhalten, Ihr Erfahrungsschatz und Ihre Haltung ändern. Dies eröffnet Ihnen neue Wege der Führung, die Chance zu Leadership und damit zu einem wesentlichen Baustein für langfristigen Erfolg. Und es eröffnet Ihrem Unternehmen den Zugang zu einer digitaleren Zukunft.