ERP-Auswahl: Wie finde ich das richtige ERP-System?

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Bei der ERP-Auswahl gilt: Wer die Qual hat, hat die Wahl. Auf dem Markt gibt es mehrere Hundert ERP-Systeme, je nach Zählung sogar über tausend. Kleinere und mittlere Unternehmen stehen deshalb vor der schwierigen Frage: Welche ERP-Software passt am besten zu meinem Unternehmen und welche Schritte sind bei der Auswahl zu beachten? Folgender Beitrag bietet eine Orientierungshilfe.

Warum ist eine sorgfältige ERP-Auswahl so wichtig?

Enterprise Resource Planning (ERP) Systeme spielen branchenübergreifend eine große Rolle für den Erfolg von Unternehmen.

ERP Auswahl 920px

  • In einem ERP-System sind alle wichtigen Geschäftsprozesse eines Unternehmens abgebildet.
  • Mit ERP-Software können Unternehmen ihre Geschäftsprozesse digitalisieren und teils automatisieren.
  • Eine ERP-Software gilt das Rückgrat oder als „zentrales Nervensystem“ des Unternehmens.
  • Ein ERP-System ist DAS zentrale Instrument für die Unternehmensteuerung.
  • ERP-Systeme sind in der Regel viele Jahre in Einsatz (ca. 10 – 15 Jahre).

Deshalb verwundert es nicht, dass der Einsatz von Unternehmenssoftware inzwischen zum Standard geworden ist. Laut Erhebungen des Digitalverbandes Bitkom setzten 95 Prozent aller Unternehmen im Jahr 2022 ein ERP-System ein. 2020 waren es erst 77 Prozent.

ERP Auswahl und Verbreitung

Grafik: Bitkom e.V.

Was KMU angeht, nutzen laut dem Beratungshauses Trovarit 60 Prozent der kleinen und mittleren Unternehmen im Jahr 2022 ein ERP-System.

Welche Herausforderungen gibt es bei der ERP-Auswahl?

Mit der gestiegenen Nachfrage hat sich der ERP-Markt gewandelt. Bis zur Jahrtausendwende waren ERP-Systeme fast ausschließlich Großunternehmen vorbehalten. Damals bestimmten umfangreiche und kostenintensive Komplettlösungen den Markt, die sich nur große (Industrie-)unternehmen oder Konzerne leisten konnten – Stichwort SAP.

Dank der voranschreitenden Digitalisierung sind die Kosten für ERP-Software inzwischen gesunken. Damit sind ERP-System auch für mittelständische und sogar für kleine Unternehmen erschwinglich geworden. Gleichzeitig ist das Angebot an Lösungen gewachsen und der Markt inzwischen fragmentierter denn je. Daraus ergeben sich besondere Herausforderungen bei der ERP-Auswahl:

  • Großes und vielfältiges Angebot an ERP-Systemen
  • Unterschiedlicher Funktionsumfang der ERP-Lösungen
  • Schwierige Vergleichbarkeit
  • Standardanwendungen vs. Branchenlösungen
  • On Premise und Cloud-Lösungen

Die ERP-Auswahl bedarf einer sorgfältigen Planung. Unternehmen sollten bei der Softwareauswahl deshalb strukturiert vorgehen.

Wie gehe ich bei der ERP-Auswahl vor?

ERP Auswahl 5 Schritte

Der Fünf-Punkte-Plan

Beim Prozess der EPR-Auswahl sollten Sie verschiedene Schritte berücksichtigen:

1.    ERP-Projekt aufsetzen

Von Anbeginn sollte allen klar sein, dass ein ERP-Projekt Zeit in Anspruch nimmt und Personal bindet. Eine gute Planung des ERP-Projektes sollte deshalb zum Start folgendes berücksichtigen:

  • Projektteam ins Leben rufen: Stellen Sie ein Projektteam zusammen und wählen Sie einen Projektleiter. Da die ERP-Einführung viele Unternehmensbereiche betrifft, sollten verschiedene Abteilungen vertreten sein – zumindest aber alle betroffenen Bereichen gehört werden.
  • Ziele festlegen: Welche Ziele sollen mit der Einführung eines ERP-Systems erreicht werden? Wollen Sie Prozesse vereinfachen und beschleunigen? Einen besseren Informationsfluss im Unternehmen erreichen? Oder geht es Ihnen darum, den IT-Aufwand zu reduzieren? Fixieren Sie Ihre Ziele und legen Sie Prioritäten fest.
  • Zeitplan erstellen: Das Projektteam sollte einen realistischen Zeitplan entwerfen. Die Terminplanung ist bei ERP-Projekten ein äußerst kritischer Faktor. Gerade der interne personelle Aufwand wird gerne unterschätzt. Deshalb laufen ERP-Projekt zeitlich manchmal aus dem Ruder.
  • Budget bestimmen: Auch der finanzielle Rahmen muss abgesteckt werden. Berücksichtigen Sie dabei nicht nur die Kosten für das System, sondern die Kosten für eine eventuelle Datenmigration aus Altsystemen und für die Schulung der Mitarbeiter.

2.    Bestehende Strukturen und Prozesse checken

Bevor Sie daran gehen, die Anforderungen das neue ERP-System zu formulieren, ist es sinnvoll

  • einerseits die bestehende Organisationsstrukturen
  • und andererseits die bestehende Prozesse unter die Lupe zu nehmen.

Nutzen Sie die Gelegenheit, bestehende Prozesse zu hinterfragen und bei Bedarf vor der Einführung des ERP-Systems zu verändern.

Der Grund: Die Einführung einer neuen Software beseitigt problematische Strukturen und Abläufe nicht per se. Oder anders gesagt: Ein schlechter Prozess bleibt auch in der Software ein schlechter Prozess. Schlimmer noch: Er wird eventuell sogar manifestiert. Deshalb müssen Sie Schwachstellen aufspüren, Strukturen bei Bedarf verändern und Prozesse optimieren.

3.    Anforderungen zusammenstellen

Die Anforderungen an das neue ERP-System werden zusammengetragen. Dabei handelt es sich vor allem um Anforderungen auf funktionaler Ebene. Aber auch nichtfunktionale Anforderungen (z.B. Internationalisierung, Skalierbarkeitn, Compliance etc.) werden berücksichtigt.

Halten Sie schriftlich fest, was Sie benötigen. Stellen Sie die Soll-Funktionen und -Prozesse des neuen ERP-Systems zusammen.

Bei großen Unternehmen ergeben sich hier meist umfangreiche Anforderungsdokumente, die man Lastenheft nennt. Neben der rein textlichen Beschreibung können auch Prozessdarstellungen in visueller Form – zum Beispiel als Flussdiagramm – eingefügt werden.

Auf der Grundlage Ihrer Anforderungen können Ihnen ERP-Anbieter Angebote erstellen.

Tipp: Kann Ihr künftiges ERP-System mit Ihnen mitwachsen? In unseren volatilen Zeiten ändern sich Anforderungen ständig. Deshalb sollten Sie auf die Erweiterungsmöglichkeit der Anwendung achten. Viele Systeme sind modular aufgebaut und ermöglichen es, mit einem kleineren Funktionsumfang zu starten und weitere Funktionsbausteine später hinzuzunehmen.

4.    ERP-Markt sondieren und Vorauswahl treffen

Der Anforderungskatalog unterstützt dabei, das passende ERP-System zu finden. Für die Marktrecherche haben wir in Folgenden einige Inspirationsquellen zusammengestellt.

Anbieterwebsites: Achten Sie bei den gefundenen ERP-Anbietern auf Fallstudien und Referenzen aus Ihrer Branche. Je ähnlicher die beschriebene Unternehmen dem eigenen sind, desto eher lassen sich Success Stories sich auf Ihr Unternehmen übertragen. Wichtig auch: Verfügt der Anbieter über Kunden in Ihrer Unternehmensgröße? Seit wann ist der Software-Anbieter am Markt und wird er Sie langfristig begleiten können?

Top 10 Listen („Die besten ERP-Anbieter“) kann man bei der Auswahl einer geeigneten ERP-Lösung konsultieren, sie sind allerdings mit Vorsicht zu genießen. Nicht selten steckt bezahlte Werbung dahinter.

ERP-System des Jahres: Das Center for Enterprise Research (CER) der Universität Potsdam kürt jedes Jahr im Rahmen der Preisverleihung das „ERP-System des Jahres“ in unterschiedlichen Seementen.

Vergleichsportale wie Softwarecheck o.ä. können hilfreich sein, da sie teilweise den (groben) Vergleich unterschiedlicher Anwendungen erlauben und die Möglichkeit bieten, nach ERP-Funktionalitäten zu filtern.

Fachmagazine Ihrer Branche stellen in ihren IT-Rubriken oft Softwareanwendungen vor. Das Magazin ERP-Management bietet regelmäßig – teils branchenbezogen – aktuelle Marktübersichten an.

Verbände wie z.B. der Digitalverband Bitkom beschäftigen sich auch mit dem Thema ERP – vor allem in Zusammenhang mit Trend-Themen wie KI oder Plattformwirtschaft (siehe Studie ERP Trend-Check).

ERP-Beratung: Viele Beratungsunternehmen mit IT-Schwerpunkt versprechen ein unabhängige Beratung bei der Auswahl einer geeigneten ERP-Software. Sie verstehen sich als Sparringspartner nehmen Unternehmen – zu entsprechenden Kosten – die zeitintensive Marktrecherche ab. Das Beratungshaus Trovarit führt seit über zwanzig Jahren eine Studie mit dem Titel „ERP in der Praxis“ durch, bei der Unternehmen zu Anwenderzufriedenheit und Nutzen befragt werden.

Messen und Konferenzen: Wenn Sie den Zeitaufwand nicht scheuen, kann auch der Besuch einer IT- oder Branchenmesse Ideen für mögliche ERP-Systeme liefern. In Folge der Corona-Pandemie hat sich die Zahl der IT-Messen jedoch deutlich reduziert. Schon seit 2019 gibt es die CeBIT nicht mehr.

Das Ergebnis der Recherche sollte eine Vorauswahl von fünf bis zehn ERP-potenziellen Anbietern sein. Diese Vorauswahl sollte mit Hilfe von ERP-Auswahlkriterien auf drei bis fünf Anbieter reduziert werden.

5.    ERP-Anbieterpräsentationen, Angebote und Entscheidung

Es folgt die Kontaktaufnahme zu den ausgewählten Anbietern, mit denen das Unternehmen in einen detaillierten Austausch geht. In der Folge finden ausführliche Anbieterpräsentationen oder auch Workshops statt. Manche Anbieter bieten auch einen unverbindlichen Test ihrer ERP-Software an. Sie haben hier oft die Möglichkeit, die Anwendung auch mit eigenen Daten zu testen.

Schränken Sie den Anbieterkreis danach mit einer Shortliste ggf. weiter mit ein.

Die verbliebenen ERP-Anbieter fertigen Konzepte – ggf. als Pflichtenheft – an, aus denen hervorgeht, wie Sie Ihre Geschäftsprozesse digital abbilden werden. Sie beschreiben darin, wie und womit das ERP-Vorhaben umsetzen wird. Nachfolgend oder in Kombination mit dem Pflichtenheft erstellt Ihnen die ERP-Anbieter ein konkretes Angebot.

Die Angebote werden unter Berücksichtigung des Anforderungskatalogs bzw. Lastenheftes bewertet, der passende ERP-Anbieter ausgewählt und beauftragt.

Beachten Sie: Sie treffen nicht nur eine Entscheidung für ein System, sondern auch für einen Anbieter!

Mit dem ERP-Anbieter gehen Sie in der Regel eine lange Partnerschaft ein. Deshalb sollte es auch zwischenmenschlich passen. Außerdem sollten Support und Serviceleistungen nicht außer Acht gelassen werden.

Im ERP-Vertrag sind alle wesentlichen Bestandteile der Zusammenarbeit wie etwa Lizenzen, Wartungsgebühren und laufende Kosten während des Betriebs fixiert.

Danach kann die ERP-Einführung starten!

Autor:in Sabine Jung-Elsen
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