Clemens Cloud bietet Beratung und Software-Lösungen auf dem IT-Sektor an. Sein Unternehmen arbeitet für zehn Bestandskunden, zwei davon machen 80 Prozent seines Umsatzes aus. Der Betrieb läuft auf Hochtouren. Clemens Cloud sonnt sich im Erfolg. Maßnahmen zur Neukundengewinnung hält er für überflüssig. Bis sein Hauptkunde ihm eröffnet, dass man ab nächsten Monat keinen Bedarf mehr für seine Leistungen habe. Es habe einen Wechsel in der Geschäftsführung gegeben und der neue Chef möchte die Softwareentwicklung auf eine ihm bekannte Firma in Indien auslagern.
Dieses Szenario ist gar nicht so selten. Unternehmen mit einigen wenigen Auftraggebern sind rasch in ihrer Existenz bedroht, wenn ein Großkunde abspringt. Und dafür kann es etliche Gründe geben: Einen Wechsel in der Entscheidungsebene, Fusionen, Umstrukturierungen, Strategiewechsel oder schlicht finanzielle Probleme bis hin zur Insolvenz.
Neukundengewinnung als Lebensversicherung
Jedes Unternehmen muss einkalkulieren, dass seine Kundenbasis schrumpft, wenn es keine aktive Akquise betreibt. Die Neukundengewinnung ist auch für gut laufende Betriebe die beste Lebensversicherung. Doch woher nehmen und nicht stehlen?
Kunden vom Wettbewerb abwerben
Die meisten Firmen aus Ihrer Zielgruppe haben bereits eine Lösung im Einsatz – vom Wettbewerb! Daher lautet unser erster Tipp für die Kundengewinnung: Analysieren Sie die Schwächen Ihrer Wettbewerber und natürlich Ihre eigenen Stärken. Können Sie ein Bestandsprodukt ablösen und dem Kunden darüber hinaus einen echten Mehrwert geben, sind Sie im Geschäft.
Die meisten potenziellen Kunden finden Sie beim Wettbewerb. Angenommen, Ihr Wettbewerber bietet eine gute Faktura-Software an, aber das Hochladen von Belegen ist umständlich. Das können Sie besser! Zusätzlich bieten Sie auch noch eine mobile App an, mit der Ihre Kunden Belege schnell einscannen und ein Kassenbuch rechtlich einwandfrei führen können.
Fragen Sie bei der Kundenakquise immer nach, welches Bestandsprodukt der Kunde verwendet. Anschließend sollten Sie genau präsent haben, in welchen Punkten Sie besser sind als dieses Bestandsprodukt.
Erstellen Sie eine entsprechende Liste als Handreichung für Ihren Vertrieb. Dann kann er im Kundengespräch besser argumentieren.
Stärken und Schwächen analysieren
Im B2B-Umfeld spielt der Preis eine geringere Rolle als andere Aspekte. So lange Sie sich preislich im üblichen Rahmen bewegen, sollten Sie andere Stärken Ihres Angebots hervorheben. Zum Beispiel:
- Integration in die Systemlandschaft des Kunden
- Zusatznutzen durch Prozessoptimierung
- Effizienzsteigerung
- Automatisierungen
- Rechtssicherheit, Datenschutz
- Standortunabhängigkeit (Stichwort Cloud-Lösungen)
- Zuverlässigkeit
- Ansprechpartner im Unternehmen
- Support
- Schnelle, kostengünstige Implementierung
- Schnittstellen, die der Kunde benötigt
Geübte Verkäufer erkennen schon im Erstgespräch, wo der Schmerz des Kunden am größten ist. Unterschiedliche Ebenen können zur Sprache kommen, von der technischen über die kaufmännische und organisatorische bis hin zur Beziehungsebene.
Wissen, was der Kunde braucht
Die Neukundengewinnung gelingt umso besser, je mehr Sie über den potenziellen Kunden wissen.
Durch aktuelle Techniken der Lead-Generierung und Marketing Automation können Sie über einen Interessenten viel erfahren, bevor Sie das erste Gespräch mit ihm führen. Anhand der Content-Angebote, die er auf Ihrer Website aufruft, können Sie ihm immer speziellere weiterführende Informationen liefern und von Ihrer Kompetenz überzeugen. Die Nachverfolgung dieser „Customer Journey“ in Ihrem CRM liefert Ihrem Vertrieb wertvolle Anknüpfungspunkte.
Wenn Sie dann zum ersten Mal den Hörer in die Hand nehmen, um den Interessenten anzurufen, haben Sie bereits eine konkrete Vorstellung von seinem Problem.
Überzeugungsarbeit leisten
Überzeugungsarbeit erschöpft sich nicht im Aufzählen von Leistungsmerkmalen. Auch die beste Software findet keine Freunde, wenn Sie kommunizieren wie ein Nerd. Sie sollten den Kunden nicht nur fachlich, sondern auch persönlich ansprechen und überzeugen.
Der beste Rat für die Neukundengewinnung kann nur lauten: Hören Sie genau hin, was den Kunden bewegt und gehen Sie darauf ein. So schaffen Sie Vertrauen und bewirken, dass er sich öffnet. Zeigen Sie Verständnis und schildern Sie dem Kunden eine Welt, in der sein Problem durch Ihre Dienstleistungen behoben ist. Lassen Sie ihn träumen und strahlen Sie Begeisterung und Einsatz aus – nicht nur für Ihre Produkte, sondern auch für das Geschäftsmodell und den Erfolg des Kunden.
Ihr Vertrieb sollte so geschult werden, dass er die notwendige Empathie und Behutsamkeit aufbringt. Kunden sehen die Ablösung von Softwareprodukten im Betrieb zu Recht als Risiko an. Es braucht Zeit, um das Vertrauen in Ihre Kompetenz und Ihre Lösung aufzubauen. Es kann kontraproduktiv sein, wenn Sie zu viel Druck aufbauen. Denken und argumentieren Sie von Anfang an lieber partnerschaftlich als in einem Verkäufer-Kunde-Paradigma.
Den Fuß in die Tür bekommen
Die meisten Dienstleister und IT-Unternehmen bieten modulare Lösungen an, häufig mit Schnittstellen, die eine Integration in die vorhandene Systemlandschaft ermöglichen. Vielleicht finden Sie für den Anfang eine unkritische Nische, in der Sie sich beweisen können. Zum Beispiel: „Sie haben erwähnt, dass Ihre Werkstudenten die Visitenkarten oft fehlerhaft in Ihr Kontaktmanagement eingeben. Stellen Sie sich vor, Sie könnten die Karten direkt in Ihre Kontakte hinein scannen! Sie würden viel Zeit gewinnen und die Datenqualität wäre ungleich höher.“
Goldene Brücken bauen
Um den Fuß in die Tür zu bekommen, können Sie auch eine goldene Brücke bauen, etwa so: „Angenommen, Sie würden zunächst einmal ein oder zwei Leute mit unserer Software ausstatten. Wir helfen Ihnen mit der Einrichtung und zeigen Ihnen vor Ort, wie es funktioniert. Dann probieren Sie die Lösung erst einmal aus. Unser Support steht Ihnen zur Verfügung. Wenn wir Sie überzeugen können, helfen wir Ihnen bei der Migration. Und in spätestens einem Monat ist die vollständige Lösung live, ohne Beeinträchtigung Ihres Geschäftsbetriebs.“
Verkäufer richtig motivieren
Viele IT-Unternehmen kennen das Dilemma: Produktmanagement und Entwicklung sprechen eine andere Sprache als Marketing und Vertrieb. Es ist eminent wichtig, die Verkäufer bei Neuentwicklungen rechtzeitig mit ins Boot zu nehmen, ihnen den Kundennutzen zu erklären und ihre Begeisterung für das Produkt permanent hoch zu halten.
Gleichzeitig sollte ein strukturierter Vertriebsprozess dafür sorgen, dass die Verkäufer sich nicht an hoffnungslosen Fällen abarbeiten. Ehrgeizige Zielvereinbarungen sind gut und schön, aber man muss den Vertriebsmitarbeitern auch sagen, wie sie ihre Ziele erreichen können. Dafür sind ein gutes Vertriebscontrolling und konkrete Leitfäden wichtig. Erfolge in der Neukundengewinnung sollten angemessen belohnt werden – nicht nur mit Boni, sondern auch mit Lob und Anerkennung.
Aus Erfahrung klug werden
Aus erfolgreichen Vertriebsprojekten kann Ihr Vertriebsteam für die Zukunft lernen und seine Akquise-Methoden verfeinern. Doch auch aus Misserfolgen lassen sich wichtige Erfahrungen gewinnen.
Daher sollten Sie ein CRM mit hervorragenden Analysefunktionen verwenden. In welcher Zielgruppe, in welchem Vertriebskanal, in welcher Branche oder Region steckt das höchste Potenzial? Wie lange dauert es, bis genug Vertrauen aufgebaut wurde, um auf den Abschluss hinzuarbeiten? Welche Aktivitäten oder Kommunikationswege haben sich bei der Neukundengewinnung als sinnlos oder kontraproduktiv erwiesen? Wer diese Fragen zu beantworten weiß, kann seinen Vertrieb in eine erfolgreiche Zukunft steuern.