Mit der Verzahnung von industrieller Produktion und moderner Informations- und Kommunikationstechnologie hat eine neue Phase begonnen. Sie wird getrieben von einer fortschreitenden Entwicklung: Collaboration in Teams wird immer wichtiger. Häufig arbeiten Mitarbeiter dezentral in Homeoffices oder von unterwegs. Daraus ergeben sich auch große Herausforderungen für das Management aus der Distanz. Eine effiziente Arbeitsinfrastruktur ist dafür unabdingbar. Unternehmen benötigen moderne Cloudlösungen, um den neuen Arbeits- und Organisationsstrukturen in der viel zitierten VUCA-Welt gerecht zu werden.
Das Akronym besteht aus den Begriffen Volatility (Unbeständigkeit), Uncertainty (Unsicherheit), Complexity (Komplexität) und Ambiguity (Mehrdeutigkeit) und hat sich fest in der Managementliteratur etabliert. Auch Führungskräfte müssen sich auf den digitalen Wandel einstellen. Dabei kann das auf Dr. Willms Buhse basierende VOPA+ Modell Orientierung bieten. Als Antwort auf die VUCA-Welt setzt sich das Modell aus den Begriffen Vernetzung, Offenheit, Partizipation, Agilität plus Vertrauen zusammen. Damit führt der Ansatz in ein agiles Führungsmodell ein und liefert wichtige Aussagen zur Unternehmenskultur.
Praktisch ergeben sich für Führungskräfte folgende Verhaltensweisen aus dem VOPA+ Modell:
- Transparent kommunizieren
- Offenen Zugang zu Informationen gewährleisten – Wissen teilen
- Kollaborative Zusammenarbeit – über Teamgrenzen hinweg
- Selbstgesteuertes Arbeiten ermöglichen und Innovationen fördern
- Zwischenziele definieren
- Ziele kontrollieren – nicht Anwesenheit und Arbeit
- Eigenverantwortung stärken
Digitale Transformation braucht Digital Leadership. Eine wichtige Basis liefern agile Methoden und Ansätze.
Agilität ist nicht gleich Anarchie
Den Ausgangspunkt der Ansätze bildet das „agile Manifest“. Im Jahre 2001 bündelten 17 Vordenker ihre Werte und Ideen in diesem Dokument. Die vier Werte und zwölf Prinzipien aus dem Manifest konkretisieren die Vorstellung von Agilität näher. In diesem Beitrag sollen mit Scrum, Kanban und Design Thinking wichtige agile Methoden vorgestellt werden.
Einige praktische Hinweise sind zur Umsetzung sämtlicher agiler Methoden wichtig:
- Einsatz prüfen: Agile Methoden eignen sich bei Kreativ- nicht aber bei Routineaufgaben.
- Agile CEOs voran: Die Führungsspitze des Unternehmens sollte ebenfalls agile Ansätze anwenden, Rollen und Verantwortlichkeiten aktiv kommunizieren und das Thema in die Unternehmenskultur integrieren.
- Management als agiles Vorbild: Mit agilen Methoden kann das Management schnelle Ergebnisse beispielsweise bei der Strategieentwicklung erzielen.
- Botschafter Mitarbeiter: Gerade in agilen Projekten werden die Mitarbeiter zu Botschaftern einer neuen Innovationskultur.
Agile Methoden verlangen ein neues Führungsverständnis. Dies gilt auch für Scrum, einer der am meisten verbreiteten agilen Methoden.
Kurz zusammengefasst bietet Scrum einen prozessualen Rahmen zur Lösung komplexer, adaptiver Probleme.
Dazu zerlegt Scrum den Entwicklungsprozess eines Produkts. Es entstehen kleine „Pakete“, die in maximal vierwöchigen Schritten, den sogenannten „Sprints“ abgearbeitet werden. Dabei werden lediglich wesentliche Funktionalitäten und keine Details des Produkts festgelegt und im Zuge des Prozesses weiterentwickelt. Kurze Sprints beinhalten Reflexionsphasen für das Team. Entscheidungen werden gemeinsam getroffen und Kundenfeedback integriert. Am Ende jedes Zyklus wird jeweils ein Teil des Produkts fertiggestellt, das der Kunde bereits einsetzen kann.
Scrum wird von kleinen selbstorganisierten Teams mit idealerweise sieben Personen praktiziert: Der ScrumMaster unterstützt das Team beim Erreichen der Ziele, löst die Hindernisse und Blockaden. Er ist dem Team gegenüber aber nicht weisungsbefugt. Der Product Owner koordiniert das Team auf täglicher Basis hinsichtlich der Produktentwicklung und der Reihenfolge der zu liefernden Bestandteile. Er verantwortet den finanziellen Aufwand des Projekts und trifft die notwendigen Entscheidungen. Das 5-köpfige Entwicklungsteam liefert das Produkt. Entsprechend des Pull-Prinzips legt es selbst fest, wieviel Arbeit es innerhalb eines Sprints schafft und welche Produktteile es liefern kann. Das Team sichert die Qualität und bekommt herausfordernde Ziele sowie klare zeitliche Grenzen – und damit verbindliche Rahmenbedingungen.
Agile Methoden im Tagesgeschäft
Führungskräfte entdecken agile Methoden auch für das Projektmanagement. Mit Kanban können Teams erfolgreich ihre Aufgaben strukturieren und Projekte steuern. Ein häufiger Fehler bei der Tagesplanung: Freie Zeit wird mit Kapazität gleichgesetzt, statt mit Verkehr und Durchfluss. Wie groß ist etwa die Kapazität einer typischen Autobahn? Die falsche Antwort lautet: 100 Prozent – weil die Autobahn dann ein Parkplatz wäre. Im Umfeld von Automobilen begann auch die Geschichte von Kanban. 1947 entwickelte Taiichi Ohno das Prinzip der Prozesssteuerung in der Toyota Motor Corporation. Kanban bedeutet im Deutschen so viel wie „Karte“. Mit Kanban steuerte Toyota die Produktion flexibler und effizienter und optimierte sie nachhaltig.
Der Begründer von Kanban in der IT war David Anderson. Er übernahm zwar den Namen, verzichtete aber auf eine direkte Übertragung des Toyota-Ansatzes auf die IT. Stattdessen übernahm er wichtige Prinzipien aus Lean Production, Lean Development sowie die Theory of Constraints. Kanban bietet ein breites Einsatzspektrum für Einzelpersonen ebenso wie Teams. Um einen optimalen Workflow zu generieren, durchläuft jede Aufgabe den festgelegten Kanban-Zyklus:
- Alle anstehenden Aufgaben werden zunächst auf Karten geschrieben und auf dem Kanban-Board in der Spalte Backlog Dort werden sie gegebenenfalls in ihre Einzelteile heruntergebrochen.
- In der Spalte To-Do stehen die priorisierten Aufgaben. Um zu verhindern, dass ein Flaschenhals entsteht, empfiehlt sich eine Obergrenze für die Zahl der Karten festzulegen, die in dieser Spalte stehen dürfen.
- Im nächsten Schritt werden Aufgaben aus To-Do nach In Arbeit Im Personal Kanban darf nur eine Aufgabe in dieser Spalte stehen. Wenn sie abgearbeitet ist, zieht sich der Anwender entsprechend des Pull-Prinzips die nächste Aufgabe.
- Eine abgeschlossene Aufgabe wandert in die Fertig-Spalte.
Das Team trifft sich regelmäßig zu kurzen, effektiven Stand-ups (z. B: täglich 10 Minuten). Ein Projektleiter wird nicht benötigt. Der Kanban-Zyklus gibt laufend Rückmeldungen über das eigene Vorgehen. Gleichzeitig kann jederzeit flexibel auf Probleme reagiert werden. Aufgaben können einfach in ihrer Priorität angepasst werden. So werden mit Kanban Projekte gesteuert – damit die Autobahn nicht zum Parkplatz wird.
Mehr Innovation mit Design Thinking
Agile Methoden bieten eine wichtige Basis für kreative Ideenfindungsprozesse. In vielen deutschen Unternehmen hat gerade in den letzten Jahren Design Thinking Einzug gehalten. Der strukturierte Ansatz zur Erarbeitung von Lösungen für komplexe Probleme vollzieht sich in iterativen Schleifen. Die Nutzerperspektive steht im Zentrum. Klassischerweise wird der Ansatz im Workshop-Format durchgeführt. Den Ausgangspunkt bilden Experten mit verschiedenen Blickwinkeln auf ein Produkt (Vertrieb, Einkauf, Marketing etc.), die zu einem multidisziplinären Team verschmelzen.
Folgende Aspekte helfen bei der Implementierung von Design Thinking:
- Verstehen: Im ersten Schritt geht es darum, das Problem zu verstehen und eine geeignete Fragestellung sowie Ziele zu formulieren.
- Beobachten: Danach folgt eine intensive Recherche und Feldbeobachtung. Für das Projekt werden dadurch wichtige Erkenntnisse über den Status Quo gewonnen.
- Point-of-View: In dieser Phase werden die Beobachtungen operationalisiert und auf einen einzelnen, prototypischen Nutzer angewendet.
- Ideenfindung: Der Kern von Design Thinking ist das Brainstorming und die Entwicklung unterschiedlicher Konzepte.
- Prototyping: Statt langer Entwicklungszyklen beginnt zeitnah die Fertigung aufwandsarmer Prototypen zum Testen an der Zielgruppe.
- Verfeinerung: Die Prototypen liefern wichtige Einsichten über die Funktionalität und das Kundenverhalten. Diese Erkenntnisse helfen, das Konzept zu einem optimalen, nutzerorientierten Produkt weiterzuentwickeln.
Um eine innovative Unternehmenskultur zu etablieren und die digitale Transformation voranzutreiben, sollten Führungskräfte agile Methoden gezielt bei ihren Mitarbeitern einsetzen.
Mitarbeiter brauchen ein ganzheitliches Denken und den Freiraum, eigene Ideen einzubringen und weiterzutreiben. Die Freiheit, Fehler zu machen, gehört dazu. Eine solche Unternehmenskultur lebt davon, dass die digitale Transformation als Chance wahrgenommen und vom Manager vorgelebt wird.
Daniel Konrad ist Seniorberater bei der Kommunikationsberatung JP│KOM in Frankfurt. Er publiziert regelmäßig zu den Themen Kommunikation und Leadership in „Konrads Management Kolumne“ bei t3n sowie auf seinem Blog wortgewaltigst.com.